Das Armklarakloster

Wussten Sie, dass die Klarastraße nach dem Kloster der Klarissen benannt ist?

An der Ecke Klarastraße und Adolf-Kolping-Straße befand sich ein Kloster der Armklarissen, die zu den so genannten „Bettelorden“ gehören. Der Straßenname stellt die historische Verbindung zu dieser einst so segensreichen Einrichtung her.

Das Gebäude der einstigen Klosterkirche St. Antonius ist von der Adolf-Kolping-Straße aus sichtbar, da es nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde. Das restliche Areal des Klosters wurde komplett und in neuer Baustruktur mit profanen Häusern überbaut. Gut erkennbar ist der Torbogen in der Klarastraße mit der Portalfigur der hl. Klara in der Spitze. Er dient als Eingang in das heute vorgelagerte Gebäude des Instituts für Kirchenmusik, von dem die ehemalige Klosterkapelle heute genutzt wird.

Seitlich an dem Kapellengebäude befinden sich zur Adolf-Kolping-Straße hin die Räumlichkeiten der Mainzer Cityseelsorge. Obwohl das Areal nun für andere Zecke genutzt wird, hat es seine Verbindung zu kirchlichen Aufgaben nicht verloren. Die Cityseelsorge folgt gewissermaßen den Spuren der Klarissen. So wie es heute in der Sozialarbeit praktiziert wird, kümmerten sich damals die Klarissen des Klosters um jene Menschen, denen es im Leben nicht so gut ging. Die Bettelorden lebten zwar hinter ihren Klostermauern, aber sie wirkten nach außen und kümmerten sich in den Straßen und Häusern um die Menschen.



I will follow him!

Warum wählt man bewusst ein Leben in Armut?

Würden Sie gerne arm sein? Wahrscheinlich nicht! Armut in unserer Gesellschaft hat vielfältige Ursachen und ist nicht freiwillig gewählt. Allerdings sollte sie durch unser soziales System so gestaltet sein, dass das so genannte Lebensnotwenige gewährleistet ist.

Aber auch in unserer heutigen Zeit leben Menschen in freiwilliger Armut, mit dem Verzicht auf Einkommen und Eigentum. Praktiziert wird dies in den Bettelorden, zu denen auch die Armklarissen gehören.

Franziskus von Assisi proklamierte ein Leben in der Nachfolge Jesus‘ und dem Gebot im Evangelium „Wer vollkommen sein will unter Euch, verlasse alles, und was er hat, gebe er den Armen, dann komme er und folge mir nach.“ (Mt 19, 21). Der von Franziskus und Klara von Assisi gegründete Frauenorden verkündete, dass jeder durch eigener Hände Arbeit für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen müsse, zur Not auch durch Betteln, sofern der Ertrag der eigenen Arbeit nicht ausreiche. Das schlichte braune Gewand der Klarissen ähnelt der Kutte der Franziskaner. Auf dem Kopf tragen die Nonnen zusätzlich einen weißen Habit und einen schwarzen Schleier.



Die evangelischen Räte: Armut, Keuschheit, Gehorsam

Was bedeutet der Begriff der „Evangelischen Räte“?

Neben den ordensspezifischen Regelungen des Ordensgründers verpflichten sich Mönche und Nonnen im Gelübde den „evangelischen Räten“. Die so genannten drei evangelischen Räte, die von allen klösterlichen Orden angenommen wurden, sind: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Der Begriff „evangelische Räte“ bezieht sich auf die im Matthäus-Evangelium niedergeschriebene Weisungen (Weisung = Rat, Plural Räte) von Jesus an seine Jünger, wie diese sich verhalten sollen. Keuschheit bedeutet sowohl die sexuelle Enthaltsamkeit als auch die geistige Haltung, die realisiert, dass nur die Verbindung mit Gott die Lebenssehnsucht der Seele völlig erfüllen kann. Armut verlangt nach einem einfachen Lebensstil und versteht sich als Warnung vor der Überbewertung materieller Güter an Stelle spiritueller Güter wie Nächstenliebe, Ehrlichkeit und Treue. Der Gehorsam ist sowohl die Bereitschaft zur Einordnung in einer Gemeinschaft wie auch der Gehorsam gegenüber einem Oberen und das Vertrauen in ihn. Er beinhaltet auch das Vertrauen auf den Willen Gottes und die Unabhängigkeit von allem Weltlichen.

Franz und Klara von Assisi fühlten sich berufen, so zu leben, wie es Jesus seinen Jüngern empfohlen hatte und machten daher diese drei Ratschläge zur Basis ihrer Ordensregel. So haben jene drei evangelischen Räte besonders bei dem Franziskaner- und dem Klarissen-Orden eine große Bedeutung, noch stärker als bei anderen Orden.



Die Mainzer Armen Klarissen

Wie kamen die Armklarissen nach Mainz?

Die Mainzer Armklarissen kamen kamen 1619 während des Dreißigjährigen Krieges nach Mainz. Die fünf Gründungsschwestern gehörten dem erst 1609 gegründeten Kölner Konvent Marientempel in der dortigen Glöcknergasse an, waren aber fast ausnahmslos gebürtige Mainzerinnen. Die Schwestern lebten nach ihrer Ankunft in Mainz zunächst für einige Monate bei der Witwe eines Domkapitelsekretärs in deren kleinen Wohnung am Dietmarkt, dem heutigen Schillerplatz. 1620 zogen sie mit Erlaubnis des Mainzer Landesherrn, dem Kurfürst von Kurmainz, in die ehemalige Antoniterkapelle ein. An jenem Platz hatte der Antoniter-Orden einst ein kleines Kloster errichtet, das aber mittlerweile aufgegeben worden war und vom Gewaltboten, dem verlängerten Arm des Mainzer Erzbischofs, genutzt wurde. Die Nonnen des Mainzer Klosters stammten zumeist aus dem bürgerlichen Milieu der Stadt. Die Pestseuchen um 1632 und 1666 überlebten alle Schwestern des Klosters. Lediglich zwei Nonnen, die 1632 vor den Schweden in den Kölner Konvent geflüchtet waren, starben dort an der Seuche. Besonders in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts traten viele neue Schwestern in den Konvent ein. Offenbar war zu jener Zeit die Begeisterung für ein Leben in freiwilliger Armut größer als in den Folgejahrzehnten. Ob Reformation und Dreißigjähriger Krieg damit etwas zu tun hatten, lässt sich aus den noch vorhandenen Quellen nicht eindeutig belegen.



Das Ende des Klosters der Armen Klarissen in Mainz

Warum wurde das Kloster säkularisiert und aufgegeben?

Der Begriff „Säkularisierung“ bezeichnet jegliche und zumeist erzwungene Verweltlichung geweihter Personen oder auch Dinge und deren Gebrauch zu profanen Zwecken. In der Auswirkung bedeutete dies oft eine gewaltsame Enteignung und Zweckentfremdung von geistlichem Vermögen und Kirchengut zur weltlichen Nutznießung. Als Folge der französischen Besetzung wurden im gesamten rechtsrheinischen Gebiet die meisten Klöster säkularisiert, da der Glaube nicht mit den Idealen der Französischen Revolution zu vereinbaren war. Das Mainzer Armklarissenkloster rückte schon 1792 und verstärkt 1797 in den Fokus der Besatzer. Den Nonnen wurde das Leben schwer gemacht.

Wenige Jahre vorher, zu Beginn der Französischen Revolution, 1789, wurde die Mainzer Bürgerstochter Salome Schnug zur Äbtissin Franziska Josepha des Mainzer Armklarissen-Klosters gewählt. Sie war die letzte Äbtissin des Klosters und hatte in der Folgezeit gegen viele Widrigkeiten und Schikanen der Besatzer zu kämpfen. Nachdem zunächst die Anzahl der Nonnen im Kloster auf 30 begrenzt wurde, konnten die letzten drei Novizinnen 1791, 1792 und 1797 nur unter erschwerten Bedingungen aufgenommen werden: Sie durften ihre Profess nicht mehr auf Lebenszeit, sondern nur noch für die Dauer von zwei Jahren ablegen und erneuern. Am 10. Januar 1798 wurde gar die Aufnahme weiterer Novizinnen verboten. Die Säkularisierung erfolgt am 9. Juni 1802. Von einigen Nonnen ist bekannt, dass diese weiterhin in Mainz wohnten und nach den Regeln einer Nonne lebten.



Nutzung der Kirche bzw. des Klosters bis heute

Was passierte mit dem Klostergebäude nach der Aufhebung?

Nach der Auflösung 1802 wurde das Klostergebäude bis ins frühe 20. Jahrhundert als Hebammenschule mit Entbindungsanstalt genutzt. Beachtenswert ist der so genannte „Triller“, ein Vorläufer der Babyklappe. Hier konnten Kinder abgelegt werden, die damit vor der Aussetzung bewahrt wurden. Auch die Briefpost, die Sparkasse und das Hochbauamt der Stadt Mainz nutzten die Gebäude. Zeitweise war dort auch eine Sanitätswache untergebracht.

Die 1330 errichtete Kirche St. Antonius (Antoniuskapelle) wurde nach der Säkularisierung des Klosters der Armen Klarissen zunächst von Anglikanern und ab 1876 von Altkatholiken für deren Gottesdienste genutzt.

Im August 1942 wurde das ehemalige Klosterareal durch englische Bombenangriffe fast vollkommen zerstört. Nachdem 1948 die Mainzer Kolping-Familie den ganzen Komplex erwarb, wurde St. Antonius wieder hergestellt. Im einschiffigen Chor wurden 1948 Malereien aus der Erbauungszeit freigelegt und ergänzt. Der Malereizyklus ist der Einzige dieser Art in Mainz. Ursprünglich als Kapelle des damals gegenüberliegenden Kolpinghauses bestimmt, ist sie heute Teil des Instituts für Kirchenmusik und mit einer bemerkenswerten Orgel ausgestattet.

Die Kapelle wird sonntags manchmal für portugiesisch- und slowenischsprachigen Gottesdienst genutzt. Auch finden dort Trauungen statt. Der Trauerraum ist ein Ort des Erinnerns und Gedenkens. Betroffene finden dort die Möglichkeit zur Trauerbegleitung.