„Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben […]“
– Matthäus 25, 35



Armenfürsorge in Mainz

Was ist ein Spital?
Wo wurden Arme und Kranke in Mainz versorgt?

Krankheit und Armut waren im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit allgegenwärtig. Mangelnde medizinische Versorgung und schlechte hygienische Verhältnisse in den wachsenden Städten verhalfen Krankheiten und Seuchen wie Pest, Lepra oder Pocken zu großer Ausbreitung. Besondere Bedeutung erlangten darum die Spitäler, die sich neben der Krankenpflege auch um Hilfsbedürftige aller Art wie alte Menschen, Waisen, Fremde, Pilger oder Obdachlose kümmerten. Der Begriff Spital (Hospital, Hospiz) leitet sich von dem lateinischen Wort hospitalitas ab, das ursprünglich Gastfreundschaft gegenüber Fremden und Bedürftigen bedeutete. Besonders die stiftische Spitalpflege, die oft von Geistlichen der Bischofsstädte ausging, war für die Entwicklung der städtischen Krankenpflege von besonderer Bedeutung.

Zunächst war in Mainz hauptsächlich das Heilig-Geist-Spital für die Versorgung der Armen und Kranken zuständig. Als es sich jedoch mehr und mehr zum Altenheim entwickelte, übernahmen ab dem 14. Jahrhundert andere Spitäler die Aufgaben der Kranken- und Armenpflege. Zu nennen sei das Alexiusspital, das Barbaraspital, das Antoniushaus („Töngeshof“) oder der dem Heiligen Georg gewidmete so genannte Gutleuthof, der sich Leprakranken annahm. Neben diesen aus geistlicher Motivation entstandenen Spitälern wurde 1721 auf Betreiben des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn das Rochusspital gegründet, um der großen sozialen Not in der Stadt mit einem kurfürstlichen Armenhaus Abhilfe zu leisten. Unter französischer Verwaltung fanden die geistlichen Spitäler der Stadt Mainz jedoch ihr Ende. Ein Pariser Beschluss von 1798 verfügte die Zusammenlegung aller geistlichen Spitäler zu einer einzigen, unter städtischer Leitung stehenden Institution.

Die geistlichen Stätten der Armen- und Krankenpflege mit ihren mittelalterlichen Wurzeln verloren damit ihre Bedeutung und lösten sich allmählich auf. Dennoch ist noch bis in unsere Gegenwart im Nebeneinander von Krankenhäusern städtischer und kirchlicher Träger die ursprüngliche Motivation der Armen- und Krankenpflege zu erkennen.



Motiv zur Krankenpflege

Warum widmen sich Menschen der Krankenpflege?
Was hat das mit Religion zu tun?

Der Dienst am Armen und Kranken gehört zu den ureigensten Aufgaben des Christentums. Vor allem Geistliche fühlen sich zu allen Zeiten zu diesem Akt der Nächstenliebe - caritas - berufen. Sie empfinden es bis heute als ihren Auftrag, den sie durch die biblische Tradition auf Jesus zurückführen. Gerade im klösterlichen Spitalwesen liegt in der hospitalitas, der Aufnahme und Versorgung von Fremden und Pilgern, die Keimzelle der Armen- und Krankenfürsorge.



Die Pflegebruderschaften

Wer kümmerte sich um die Kranken im Heilig-Geist-Spital?
Wer waren diese Menschen?

Die Pflege von Armen und Kranken verstanden im Mittelalter christliche Orden und Bruderschaften als ihre Aufgabe. Im Gegensatz zu Klostergemeinschaften handelte es sich bei den Zusammenschlüssen der Brüder oder Schwestern um Laiengenossenschaften. Die Mitglieder hatten sich entschieden, ihr Leben in den Dienst der Nächstenliebe zu stellen und damit Gott zu ehren. Ihr gemeinschaftliches Leben war weniger strikt geregelt als das von Mönchen oder Nonnen und sie lebten an dem Ort, an dem sie wirkten. Die Bruderschaft „vom Heiligen Geist“ hatte sich 1180 in Montpellier gegründet und war ab 1198 als Spitalpflegeorden vom Papst anerkannt. Ihr Hauptsitz verlagerte sich um 1250 nach Rom. Der Heilig-Geist-Orden verbreitete sich in ganz Europa und seine Spitäler hatten Vorbildcharakter, so dass sich auch Neugründungen „Heilig-Geist“ nannten. Das Personal des Mainzer Heilig-Geist-Spitals gehörte nicht diesem Orden an, eiferte ihm aber nach und sah in ihm ein Vorbild, was die Benennung des Spitals nahelegt. Die Brüder und zu Beginn auch die Schwestern, die hier die Pflege ausübten, lebten dennoch nach klösterlichen Regeln und verstanden sich als Gemeinschaft. Als Mehrzweckeinrichtung für Pilger, Obdachlose, Fremde, Arme, Alte und Kranke stand das Mainzer Spital vielen Menschen offen. Männer und Frauen waren in getrennten Stockwerken untergebracht. Zunächst unterstand das Heilig-Geist bischöflicher Führung und Verwaltung, jedoch wurde diese Aufgabe schon 1244 vom Mainzer Stadtrat übernommen. Sie schlugen dem Erzbischof einen geistlichen und einen weltlichen Vorsteher vor. Der weltliche Vorsteher war für die Leitung des Pflegebetriebs im Rahmen des leiblichen Wohls zuständig, der Priester für das Seelenheil und christlichen Zuspruch. Mit Verlust der Mainzer Stadtfreiheit unter Adolph von Nassau im 15. Jahrhundert unterstand das Spital wieder ausschließlich der Domverwaltung. Nachdem innere Streitigkeiten zwischen Brüdern und Schwestern 1259 beigelegt werden konnten, zogen die Schwestern 1275 in ein eigenes Kloster. Am Diethmarkt bewohnten sie das Zisterzienserinnenkloster zu St. Agnes.



Gründungsgeschichte des Mainzer Heilig-Geist

Seit wann gibt es das Heilig-Geist?
Wer gründete es?
Wie waren die Anfänge?

Bereits im 10. Jahrhundert unter Bischof Willigis soll es in Mainz ein Spital gegeben haben, das sich nahe beim Dom befand. Es stand unter bischöflicher Verwaltung und wurde 1145 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Seit diesem Jahr lagen Führung und Verwaltung des Spitals beim Kloster Gottesthal im Rheingau.

1236 verfügte Erzbischof Siegfried II. die Verlegung des Spitals an den Rhein, wodurch auch die Leitung wieder an die Mainzer Domverwaltung überging. Das Spital war fortan dem Heiligen Geist gewidmet. Gründe für die Verlegung waren einerseits der Bau des alten Spitals, der für gebrechliche Menschen viele Hindernisse bereithielt, sowie die Ferne zu Wasser und Stadtmauer. Besonders Wasser war für die hygienischen Umstände relevant. Auch die Mainzer Bürgerschaft spielte eine wichtige Rolle für die Verlegung.

Aus der Gründungsurkunde von 1236:

„Im Namen der heiligen, unteilbaren Dreifalitigkeit. Siegfried, durch die Gnade Gottes Erzbischof des heiligen Stuhles zu Mainz, allen immerwährend: Uns kommt es zu, die heiligen, Gott geweihten Orte, in welchen die Dürftigen und Fremden erwünschte Aufnahme, die Müden Ruhe, die Hungernden Labung, die Dürstenden Trank, und andere, sowohl Reiche als Arme, stets annehmlichen und erquicklichen Trost finden, umso eifriger zu unterstützen, je spezieller die Fürsorge, Aufsicht und Förderung derselben bekanntlich Uns obliegt. Indem Wir darum erwogen, dass der Zustand des auf dem Grund und Boden und in der Immunität der Hauptkirche zu Mainz bestehenden Hospitals den Bedürfnissen und der Bequemlichkeit der Gebrechlichen nur sehr wenig entspricht, haben Wir, auf die Bitte der Mainzer Bürger und mit dem Rathe und der Zustimmung der Prälaten und unseres Kapitels für zweckmäßig erachtet, dass dieses Hospital (...) in die Nähe des Rheinufers neben die Kapelle des heiligen Gereon verlegt werden soll, und verordnen, dass daselbst eine Zufluchtstätte für die Armen erbaut werde, welche mit glücklichem Erfolg an die Stelle des vorgenannten Hospitals treten soll. (...)“

Wetter, J.: Das Hospital zum heiligen Geist in Mainz. In: Zeitschrift des Vereins zur Erforschung der rheinischen Geschichte und Alterthümer in Mainz. Band 2. Heft 4. Mainz 1864. S. 427-442.



Geschichtswissenschaftliche Methode der Schriftenkunde

Wer kann historische Urkunden lesen?
Wie kann man alte Handschriften entziffern?

Bei der Erforschung der Geschichte spielen schriftliche Überlieferungen eine entscheidende Rolle. Sie geben Auskunft über die Verhältnisse ihrer Zeit, über die Gewohnheiten der Menschen, über gesetzliche Änderungen, Befehle und Befinden der Regierenden. Urkunden und Briefe zählen zu den aufschlussreichsten Schriftstücken, aber auch aus ganz alltäglichen Dingen wie dem Küchenregister des Heilig-Geist-Spitals kann der geübte Historiker viel herauslesen. Da im Mittelalter meist auf Pergament geschrieben wurde, was sehr kostbar war, wurden nur die wichtigsten Dinge schriftlich fixiert. Dazu war der Akt des Schreibens sehr mühsam: Jeder Buchstabe musste mit dem Federkiel einzeln zu Papier gebracht werden. Die Tinte trocknete nur langsam. Hier behalf sich der Schreiber mit vielen verschiedenen Abkürzungen. Ab dem Spätmittelalter wurde vor allem auf Papier geschrieben und die Schriftlichkeit nahm stark zu. Die Herausforderung für den Historiker beim Entziffern alter Schriftstücke sind Handschrift und Sprache. Bis ins späte Mittelalter schrieb man hauptsächlich auf Latein. Auf Deutsch verfasste Quellen sind stark dialektal geprägt und weichen sehr vom heutigen Deutsch ab. Das zeigt auch das Küchenregister – wer weiß schon, wie die Mainzer vor 500 Jahren ihre Lebensmittel bezeichneten? Da auch die Schrift sich von der heutigen unterscheidet, erfordert die Arbeit an alten Quellen viel Geduld, noch dazu, wenn der Schreiber nicht sehr sorgfältig war. Die Lehre von den alten Schriften, Beschreibstoffen und Schreibmitteln nennt man Paläographie. Sie verhilft oft zu tiefgehenden Erkenntnissen über die Umstände der Vergangenheit und ist deshalb eines der wichtigsten Werkzeuge des Historikers.



Ein Küchenregister aus dem Jahr 1519

Was kochte und aß man damals im Heilig-Geist?

Transkription:
Kuchim Register au Sangen Johañiss Bap(tiste)
Anno xv’nünczehen Bis Weder Johanniss
Baptiste Anno xv’Zwenczik

Fritagk Johannis Baptiste
Anno xv’Nunczehenn

Item 2 1/2 alb vor platysinn
Item 2 alb 2 d vor grune fisch uff die nacht

Sambstagk

Item 2 1/2 alb vor platysinn
Item 5 d vor grune krudt
Item 2 1/2 d vor Schottn
Item 1 1/2 d vor kersinn
Item 2 1/2 d vor Zwaebelinn 
Summa 8 8 1/2 ? alb 3


Übersetzung: Küchenregister von Sankt Johannes der Täufer
(24. Juni) des Jahres 1519 bis wieder
Johannes der Täufer des Jahres 1520

  Freitag Johannes der Täufer des Jahres 1519

2,5 Albus für Plattfische
2 Albus 2 Denarius für frischen Fisch am Abend

  Samstag

 2,5 Albus für Plattfische
5 Denarius für Grünkraut/ frischen Kohl/ Grünkohl
2,5 Denarius für Schoten (Erbsen oder Bohnen)
1,5 Denarius für Kirschen
2,5 Denarius für Zwiebeln

  Summe: 8 Albus 3 Denarius



Das Heilig-Geist im Wandel der Zeit

Was geschah mit dem Heilig-Geist-Gebäude im Laufe der Jahre?

Das Heilig-Geist verdeutlicht ganz besonders den Wandel sakraler Räume. Es hat im Laufe seiner Geschichte vielfältige Nutzungsformen erfahren:

- Spital (ab 1236)
— Französisches Waffenlager (Beginn 19. Jh.)
— Wohngebäude / Privatbesitz (1847-1860)
— Gastwirtschaft (seit 1863)
— Restaurant (heute)

An den ursprünglichen Charakter eines Ortes, an dem Sakrales und Profanes zusammentrafen, erinnert heute nur noch das Gebäude und der Name