Was sind Klarissen?

Der Klarissen-Orden geht auf Klara von Assisi zurück, die im 13. Jahrhundert lebte. Sie war nicht nur eine Zeitgenossin des bekannten Franziskus von Assisi, sondern auch eine glühende Bewunderin von ihm, seinen Idealen und seiner Lebensweise. Beide stammten aus adligen Familien aus Assisi in Mittelitalien. 1212 flüchtete Klara aus ihrem Elternhaus und folgte Franziskus, der schon einige Zeit in Assisi und dem Umland seine Ideen predigte. Sie ließ sich vom ihm die Haare abschneiden als Zeichen für ihren Übergang zur Nonne. Für eine kurze Zeit lebte sie in zwei Benediktinerinnen-Klöstern, kam jedoch mit deren Lebensweise nicht zurecht und erhielt schließlich das von Franziskus renovierte Kloster San Damiano in Assisi. In den folgenden Jahren fanden immer mehr Glaubensgenossinnen zu Klara. Es gründeten sich weitere Klöster in Italien und angrenzenden Gebieten nach dem Vorbild der Frauengemeinschaft von San Damiano. Erst später nannte man sie nach ihrer Gründerin Klara „Klarissen“ – das weibliche Pendant der Franziskaner. Sie lebten nach einer Lebensregel, die Franziskus für sie formuliert hatte und die sich an der Ordensregel der Franziskaner orientierte: Ein Leben nach dem Vorbild Jesus‘ Christus, wie es im Neuen Testament beschrieben ist: Freiwillige, vollkommene Armut und Unterstützung für andere Menschen – insbesondere der Armen, Kranken und aus der Gesellschaft Ausgestoßenen. Klara schrieb - von Franziskus‘ Regel inspiriert - eine eigene Ordensregel, die kurz vor ihrem Tod 1253 durch Papst Innozenz IV. anerkannt wurde. Sowohl Franziskus von Assisi als auch Klara von Assisi wurden heilig gesprochen.



Die Trennung in Armklarissen und Reichklarissen

Wie kam es zu dieser Trennung?

Das einfache, arme Leben der Franziskaner und Klarissen stand im direkten Gegensatz zum Reichtum und Machtanspruch des Papstes und großer Teile der römischen Kirche. Bereits kurze Zeit nach Klaras Tod formulierte Papst Urban IV. 1283 eine gelockerte Regel, die ihr noch zu Lebzeiten im Jahre 1247 vorgeschlagen wurde, bei ihr jedoch keine Zustimmung gefunden hatte. Da mittlerweile einige Klarissen-Konvente Schwierigkeiten mit dem Einhalten der strengen Armut hatten, wurde diese offenere Regel zum Teil eingeführt. Hatte Papst Urban IV. mit der neuen Regel die Einheitlichkeit der Klarissen bewahren wollen, bewirkte diese das Gegenteil und es kam zu einer Spaltung der Klarissen. Ein Teil der Konvente blieb bei der Regel Klaras und lebte weiter in bewusster, absoluter Armut. Diese nannte man Armklarissen (auch: Arme Klarissen), um sie von den Reichklarissen (auch: Reiche Klarissen oder Urbanistinnen) zu unterscheiden. Letztgenannte durften insoweit Güter besitzen, um damit ihren Unterhalt zu bestreiten. Sie durften Dienerinnen einstellen und Schenkungen annehmen. Auch die Klausur wurde ihnen erleichtert. In Mainz gab es beide Richtungen: Während sich die Reichklarissen bereits im späten 13. Jahrhundert in Mainz niederließen, zogen die Armklarissen erst nach der Reformation und zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges nach Mainz.



Klösterliche Stiftungen

Wozu und für wen?

Der entscheidende Gedanke, der einem Stifter bei der Gründung seiner jeweiligen Stiftung durch den Kopf ging, war derjenige, dass die Erinnerung an seine Person aufrecht erhalten werden sollte. Allerdings ging es nicht nur um das bloße Erinnern an sich - vielmehr war der Stifter sehr darauf bedacht, den übrigen Menschen ein positives und wohltätiges Bild seiner selbst zu vermitteln. Ganz in diesem Sinne handelte auch Humbertus zum Widder als er am Allerheiligentag 1272 auf dem Flachsmarkt in Mainz den Grundstein für das Kloster St. Klara legen ließ. Am 23. April 1282 verfügte er des Weiteren, dass diesem Kloster „[…] das Gut zu Weiterstadt, Astheim, Bauschheim, Flörsheim, Nierstein […], zu Nackenheim, Zornheim, Spießheim, Odernheim, Partenheim und Algesheim mit allem Zubehör, Wiesen, Weingärten, Häudern, Gärten, Zinsen und Renten, Herrschaften und Gebiet, mit Vieh und anderen Sachen“ vermacht werden sollten. Entscheidend ist dabei, dass das Kloster somit zum einen über ausreichend Gebiete und, daraus resultierend, über Einnahmequellen (Steuern etc.) verfügte, um selbstständig, also autark, über einen langen Zeitraum existieren zu können. Zum anderen kann darin sicherlich auch der Wunsch Hubertus’ gesehen werden, seinen Mitmenschen als großzügiger und wohltätiger Stifter in Erinnerung zu bleiben. Doch warum nun gerade ein Kloster? Wie bereits erwähnt, war der Erinnerungsgedanke für die Gründung einer Stiftung zentral. Aber wer sollte sich erinnern? Und vor allen Dingen wie? Die Antwort auf diese Fragen liegt in der Errichtung eines Klosters. Nirgendwo sonst war es leichter, das Andenken an einen Menschen und dessen Angehörige aufrechtzuerhalten; nämlich in Form von Gedenkgottesdiensten und Andachten. Diese Aufgabe oblag demnach den Nonnen, die das Reichklarakloster bewohnten. Die Klarissen sollten nicht nur das Andenken an den Stifter ihres Klosters wahren, sondern auch zukünftig für dessen Seelenheil und das seiner Familie beten.



Die Klarissen in Mainz

Leben im Reichklarakloster

Zwischen 1270 und 1280 fand der Orden der Klarissen in Deutschland und somit auch in Mainz viele Anhängerinnen. Zwar gab es hier schon einige Frauenklöster (beispielsweise die Reuerinnen bei Weisenau, in der Nähe des Schillerplatzes die sogenannten Weißfrauen oder auch die Zisterzienserinnen in St. Agnes und Altmünster), diese genügten jedoch nicht den Anforderungen, die der neu gegründete Orden der Klarissen stellte. Besonders wichtig waren diesen nämlich die persönliche Armut, das Chorgebet, das Fasten, die Klausur und das Schweigegebot. Bürger und Adlige (wie beispielsweise die Grafen von Katzenelnbogen) waren von diesen strengen Regeln und dem einfachen Leben der Klarissen sehr beeindruckt. Um ihre Sympathie dem Orden gegenüber zum Ausdruck zu bringen und natürlich auch um in die Gebete der Ordensschwestern aufgenommen zu werden, bedachten sie das Kloster oft mit Schenkungen. Der Alltag der Klarissen war dementsprechend von mehreren Ämtern und Messen täglich geprägt, in denen der jeweiligen Schenker gedacht wurde. Generell maßen die Mainzer Klarissen dem Kirchgang eine besondere Bedeutung bei, so dass es unter ihnen gelegentlich zu Klagen über andere Geistliche kam, die in der Ausübung der Zeremonien und Gesänge ihrer Meinung nach zu unerfahren und nachlässig waren. Neben den religiösen Pflichten war die Arbeit einer zentraler Bestandteil der klösterlichen Regeln und des Klosteralltags. So heißt es in den Vorschriften „[die Klosterfrauen] sollen auf Werktage zu gemeinem Nutzen des Klosters, und nicht nach ihrem Gefallen was und für wen sie wollen, mit der Hand als mit Spinnen, Nähen, Weben oder etwas anderem arbeiten und was also verarbeitet ist, soll in des Klosters Nutzen gewendet und behalten werden [...]“. Auch die Mahlzeiten, die gemeinsam im Refektorium eingenommen wurden, waren stets einfach; zudem wurde von den Klarissen an verhältnismäßig vielen Tagen im Jahr Fastenzeiten und Verzicht des Fleischgenusses gefordert. Zusätzlich existierte die Regel, dass im Chor-, Kapitel- und Schlafhaus sowie im Kreuzgang und Refektorium Stillschweigen bewahrt werden musste. Daneben bestand für die Klosterbewohnerinnen die Klausur, was bedeutet, dass sie die eigentlichen Klostergebäude nicht verlassen und niemanden in diese hineinlassen durften. Alles in allem waren die Klarissinnen somit ein Orden, der großen Wert auf seine Rituale und ein entsagungsvolles und arbeitsreiches Leben legte.



Von der Säkularisierung zur französischen Revolution

Munition im Kloster?!

1781 wurde das Klarissenkloster, inklusive seines umfangreichen Besitzes, durch Kurfürst Friedrich von Erthal säkularisiert, also aufgelöst, d.h. in weltlichen Besitz überführt. Die Gewinne aus dem Verkauf des Klostergutes wurden der Mainzer Universität zugeschlagen. Vor allem Kirchengerätschaften aus Silber in einem Umfang von über 7500 Gulden sind hier zu nennen, was einen beachtlichen Wert darstellt. Dies geschah mit Legitimation durch eine päpstliche Bulle (Urkunde zu wichtigen Rechtsakten)! Seit dieser Zeit wurden die Gebäude nicht mehr als Kloster benutzt.

Die französische Revolution von 1789 hatte auch für Mainz einschneidende Folgen, denn es gelang Frankreich bis 1792 alle Gebiete auf der linken Rheinseite, inklusive Mainz, zu erobern. Es wurde eine Republik unter französischer Herrschaft gegründet. In den Gebäuden des ehemaligen Klosters wurde daraufhin eine Bäckerei eingerichtet und die Kirche selbst als Magazin verwendet. Nach der Rückeroberung durch die preußischen Truppen im Jahr 1793 fanden letztmals wieder Gottesdienste in der Kirche statt, das Kloster blieb jedoch säkularisiert. 1798 fiel die Stadt erneut für 16 Jahre an die Franzosen, die wieder ein Magazin in der Kirche einrichteten. Es zeigt sich also eine nahezu gänzlich profane Verwendung der Gebäude ab 1781, auch in den folgenden Jahrhunderten wurden die Räume nicht mehr religiös genutzt.



Eine bewegte Baugeschichte

Ein Gebäude als Fenster durch die Zeit?

Im Laufe ihrer bewegten Geschichte wurden die Gebäude des Klosters oft umgestaltet. Ab 1831 wurde der Innenraum grundlegend umgestaltet und in fünf Stockwerke unterteilt. Sowohl der Kirchturm, als auch das Seitenschiff wurden abgerissen. Ab 1903 gehörte die Klosteranlage der Stadt. Diese riss einige Gebäude ab und baute die übrigen Räumlichkeiten dann zum Naturhistorischen Museum aus. Die Kirche wurde nun in drei Stockwerke unterteilt. Diese Aufteilung besteht bis heute. Beachten Sie dies bei Ihrem Besuch des Museums, hier können Sie von Innen selbst entdecken, dass die Aufteilung früher eine andere war. Ebenso wurde eine Mädchenschule, die heutige Anne-Frank-Schule auf dem Gelände eingerichtet.

Im Zweiten Weltkrieg war Mainz verheerenden Luftangriffen ausgesetzt, die auch das Kloster nicht verschonten. Nur eine Ruine überstand die Bomben. Nach dem Krieg wurden umfangreiche Erneuerungmaßnahmen durchgeführt, das Kirchengebäude wurde trotz der erheblichen Schäden wieder in Stand gesetzt. In seiner heutigen Gestalt zeigt sich der Komplex erst seit Mai 2010, nach umfangreichen Umbauten in den 80er Jahren wurde in diesem Jahr ein Aufzug und eine neue Glasfassade hinzugefügt. Alle diese Baumaßnahmen stellen eine Anpassung an die jeweils neue Nutzung dar und wurden im Baustil der jeweiligen Zeit umgesetzt. Der Gebäudekomplex stellt somit heute ein gutes Fenster in die Vergangenheit dar, durch das fast 1000 Jahre Baugeschichte von jedem betrachtet werden können.



Nutzung des Klostergebäudes im Laufe der Zeit

Erinnerung durch Nutzung?

Die Räume des Klosters haben sowohl baulich, als auch in Bezug auf ihre Nutzung eine bewegte Geschichte erlebt. Diese erscheint jedoch nur auf den ersten Blick sehr wechselhaft. Bereits zu Zeiten des Klosters bestand ein Wirtschaftsbetrieb, um die Nonnen zu versorgen. Die Verwendung als Bäckerei stellt also keinen Bruch dar, während die Nutzung als Museum uns heutzutage als totale Abkehr von der ursprünglichen Verwendung erscheint. Aber bereits im Mittelalter waren die Klöster Orte des Wissens und der Wissenschaft. Auch heute noch nimmt das Museum Rücksicht auf die ehemals sakrale Bedeutung der Gebäude und versucht diese mit den wechselnden Ausstellungen in Einklang zu bringen. Mönche und Nonnen waren im Mittelalter sehr gebildet, da sie lesen und schreiben konnten. Die Einrichtung der Anne-Frank-Schule stellt hier auch eine Anknüpfung an den Lehrbetrieb dar, den bereits die Klöster betrieben haben, indem sie ihren Novizen Lesen und Schreiben vermittelten. Erinnerung wird nicht nur durch Hinweisschilder ermöglicht, auch durch die weitere Verwendung des Gebäudes kann an dessen ursprünglichen Sinn angeknüpft und die Erinnerung lebendig gehalten werden. Es zeigt sich: Trotz profaner Weiternutzung ist der Komplex heute das, was er schon vor 800 Jahren war: Ein Ort des Wissens.